Christa Hourani zu Grenzen des Kapitalismus – UZ vom 8. Januar 2021
Die Pandemie zeigt wie in einem Brennglas, dass die kapitalistische Profitwirtschaft an ihre Grenzen kommt, die kapitalistische Produktionsweise überholt ist und die Überproduktionskrisen zunehmen und schärfer werden. Am Beispiel der Länge des Arbeitstages und des Einsatzes der Ware Arbeitskraft zeigt sich, wie chaotisch, planlos und ausbeuterisch dieses Gesellschaftssystem unterwegs ist – es heuert und feuert im Auf und Ab des Zyklus der Profitmaximierung.
Seit über einem Jahr, schon einige Monate vor Corona, überschlugen sich immer neue Horrormeldungen von Jobvernichtungsplänen, Verlagerungen, Standortschließungen, Erpressungen. Die Anzahl der Kurzarbeiter stieg im Frühjahr während der Pandemie auf sechs Millionen, während andere Betriebe wie Porsche oder Stihl (Motorsägen) Sonderschichten fuhren. Kaum sinken die Kurzarbeiterzahlen, steigen die Anträge auf Mehrarbeit, Sonderschichten, befristete Einstellungen. Selbst in Betrieben mit Entlassungsdrohungen wie bei Daimler, VW, ZF, Mahle oder Bosch gibt es Anträge auf Mehrarbeit und Einstellung von Leiharbeitern beziehungsweise Befristeten. ZF in Friedrichshafen zum Beispiel läuft auf Hochtouren, die Beschäftigten arbeiten 40 Überstunden pro Monat. Kollegen von Bosch in Feuerbach berichten, dass in der Produktion 200 Befristete eingestellt wurden und Sonderschichten gefahren werden. Bei Mahle in Mühlacker wechselten die Kolleginnen und Kollegen direkt von der Kurzarbeit in die Mehrarbeit. Auch bei Daimler in Untertürkheim wurden über 100 Leiharbeiter eingestellt.
Die Entlassungsdrohungen bleiben aber trotz steigender Produktion und Mehrarbeit bestehen. Viele sind bereits entlassen worden, insbesondere Minijobber und Niedriglohnbeschäftigte. Der Widerspruch tritt offen zu Tage: Während die einen kaum oder keine Arbeit haben, schuften andere in überlangen Arbeitstagen – und dies in ein und derselben Branche, zum Teil auch im gleichen Betrieb.
Die Planungen im Kapitalismus stoßen an Systemgrenzen. Jeder Betrieb, jeder Konzern plant für sich. Es gibt keinen Plan, der erfasst, wie viel von welchem Produkt gesellschaftlich notwendig ist und für Mensch und Umwelt zuträglich. Die Vorstände planen nach dem kapitalistischen Profitprinzip – was Profit bringt, wird gebaut, ob notwendig oder sinnlos – ganz egal. „Die dem Kapitalismus eigenen zyklischen Überproduktionskrisen gehen damit in eine strukturelle Dauerkrise über. … Jede gesamtgesellschaftliche Planung, die den Mehrwert unter anderem zur Befriedigung von Bedürfnissen einsetzt, die nicht wieder einer Mehrwert erbringenden Produktion dienstbar gemacht werden, ist innerhalb des Kapitalismus systemwidrig“, so analysierte Hans Heinz Holz in „Kommunisten heute“.
Das Programm der DKP zeigt die notwendigen Ziele auf: „An die Stelle der chaotischen, auf Profitinteressen ausgerichteten, von Krisen geschüttelten kapitalistischen Konkurrenzwirtschaft tritt eine nach wissenschaftlichen Kriterien gemeinschaftlich und verantwortungsbewusst geplante, von Solidarität getragene Produktionsweise. … Effektivität der Wirtschaft darf nicht in der Rentabilität des Kapitals und in den Kennziffern der internationalen Konkurrenzfähigkeit gemessen werden, sondern muss sich an der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Mehrheit der Bevölkerung orientieren.“
Zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gehören zum Beispiel kürzere Arbeitszeiten für alle bei vollem Lohnausgleich und kein ständiger Wechsel zwischen Überarbeit und Unterbeschäftigung. Zur Verbesserung der Lebensbedingungen während einer Pandemie gehört unter anderem, dass die Herstellung unnötiger Produkte zurückgefahren wird zugunsten dringend notwendiger Produkte wie Masken, Schutzkleidung, Tests, Beatmungsgeräte, Impfstoffe, so wie es Länder wie China und Kuba vormachen. Dort wird nach gesellschaftlichen Plänen gearbeitet und nicht nach dem Profitprinzip.
Oh no …
Von Dummheit und Magenbitter
Die etwas andere Beschreibung der Ereignisse der heutigen Zeit. (Unsere Zeit 08.01.21)
Die Kolumne von Karl Rehnagel, der eigentlich die Ereignisse in der Fussbalbundesliga auf seine Weise kommentiert, aber aufgrund „Präsenzlosenfussballs“ sich auch mit anderen Themen beschäftigt.
24. 12. Weihnachten. Ich drücke dem Straßenmagazin-Verkäufer vom „Bodo“ vorm „Rewe“, wie jedes Jahr, 20,- Euro in die Hand und wünsche bessere Tage. Er fällt, wie jedes Jahr, aus allen Wolken und bedankt sich überschwänglichst. Ich wehre, wie jedes Jahr, unterschwänglichst ab. Es ist jedes Jahr der immer gleiche groteske Tanz. Was aber, wenn sich schon länger eine heimliche Fangruppe gegründet hat, die uns jedes Jahr filmt und ins weltweite Netz stellt? „The strange man and the old bodo-seller. Edition 2020“! Oh no …
25.12. Fußball. Lucien Favre (Dortmund): entlassen. Thomas Tuchel (Paris): entlassen. Manuel Baum (Gelsenkirchen): entlassen. Achim Beierlorzer (Mainz): entlassen. Maurizio Sarri (Turin): entlassen. Jos Luhukay (St. Pauli): entlassen. Fußball an sich: entlassen. Punkt.
26.12. Dummheit. Während ein Teil der Menschheit versucht, möglichst kontaktfrei zu überleben, stürmen circa eine Million Irre Winterberg. Zum Skifahren. Dicht an dicht an dicht. Und selber dicht sicher auch. Ich schätze, das sind dann dieselben, die im März rumpöbeln, dass sie nicht ins Fußballstadion dürfen, weil „immer noch dieser Scheiß Lockdown“. Und der Rest der Menschen so: Oh no …
27. 12. Arbeit. Wir bauen den UZ-Shop um. Alles von A nach B, dann von C nach D, um Platz für E auf A zu haben. Wer früher mal Tetris gespielt hat, ist klar im Vorteil. Habe ich leider nie. Und so wandern 1.753 Marx‘ und 1.577 Lenins in Bücherform, dazu 666 Hoodies, T-Shirts, Fahnen und Broschüren und circa 23.921 CDs im Kreis. Mehrfach. Und der Rücken so: Oh no …
28. 12. Politik. Jens Spahn ist der beliebteste Politiker Deutschlands. Noch vor der Kanzlerin! Mir fällt mein Frühstück aus dem Gesicht. Ist 8:32 Uhr eine adäquate Uhrzeit für einen Magenbitter? Ich muss googeln.
29. 12. Sport. Der dicke, unfassbar langweilige Gabriel Clemens aus dem Saarland katapultiert Deutschlands Dartszene an die Weltspitze. Erst wirft er den Weltmeister aus dem Rennen, dann trifft er im Achtelfinale auf Krzysztof Ratajski aus Polen. Jener sieht aus und spielt wie eine Mischung aus emotionalem schwarzen Loch meets Flasche Wodka, er verzieht keine Miene. Im letzten „leg“, dem entscheidenden Wurf, verpassen beide gefühlt 50 mal das erlösende Doppelfeld, ein circa 8 mm schmales Band auf der Scheibe. Zum Schluss trifft der Pole und bricht fast zusammen. Und der dicke Clemens so: Oh no …
30. 12. Politik. Söder nennt Schwarz-Grün attraktiv: „Eine Konstellation, die neben Sicherheit auch Inspiration bieten könnte.“ Mich inspiriert mehr der Blick auf die Farbenlehre: Was kommt heraus, wenn man Grün und Schwarz/Hellblau mischt? Hmm, ich würde sagen, Graubraun. Eben.
In den USA stehen mittlerweile 340.000 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus. „Niemand kann mit uns mithalten“, radebrecht Donald Trump, „Wann immer Amerika herausgefordert wird, sind wir der Situation stets gewachsen.“ Wie halten die Menschen dort drüben das aus? Ein grausamer Clown, der über Leichen wandelt, als Führer der „freien Welt“. Jeder Mensch mit einem IQ über Topflappenniveau müsste doch sagen: Oh no …
31. 12. Silvester. Bin bei Kumpel H. und Sohn L. Raclette futtern, Dart spielen und lauten Punkrock hören. Später auf eine kleine Brücke mit der lieben A., dem neuseeländischen Baumfäller S. und Gartenbro A., meinen Liebsten. Es macht hier „Piff“ und da „Puff“, die, die dürfen, trinken einen Sekt, Silvester beendet. Prima. Auf dem Rückweg trete ich in die Hinterlassenschaft eines Vierbeiners. Dreieinhalb schlaflose Stunden verfolgt mich noch das eingesummte Mantra: „So ist nun mal das Leben, der eine tritt ins Glück, der andere tritt daneben.“ Und denke über 2021 jetzt schon … Oh no.