Das Corona Jahr geht zu Ende

Gesundes Gesundheitssystem ist Tagesforderung

Weg aus der Coronakrise

Lucas Zeise – UZ vom 24.Dezember 2020

Dass die Regierung beim Kampf gegen die Corona-Seuche besonders erfolgreich war, behauptet sie mittlerweile nicht einmal selber. Nicht selten findet sich in dieser Zeitung heftige Kritik. Ärgerlich ist aber, dass wir – unsere kleine Partei und die aufgeklärte linke Öffentlichkeit – noch keine Forderungen gefunden haben, für die es sich lohnt, den Kampf aufzunehmen. Der Protest gegen die Maßnahmen kommt so aus der unaufgeklärten „Mitte der Gesellschaft“ und wird von rechts organisiert. Wir dagegen wandern hinter Transparenten „Solidarisch gegen die Krise“ her, die auch von Kanzlerin Merkel und ihrem Gesundheitsminister Spahn gemalt sein könnten.

Im rechtslastigen Protest findet sich viel Beschwerde gegen Einschränkungen der Rechte durch Gesetze und Rechtsverordnungen. Sie müssen „verhältnismäßig“ sein, erklärt uns die herrschende Rechtsinterpretation. Wir stellen fest, dass die ökonomischen Belastungen und Einschränkungen ungleich verteilt werden und zugleich offensichtlich nicht ausreichen, die Krankheit einzudämmen.

Ungleiche Lastenverteilung und fehlende Effektivität hängen mitein­ander zusammen. In diesen Zeiten am besten sichtbar am Gesundheitssystem. Kronzeuge dafür ist Gesundheitsminister Spahn, der am 19. April des Jahres feststellte: „Der öffentliche Gesundheitsdienst ist der Dreh- und Angelpunkt zum Umgang mit dieser Epidemie“. So steht es auch im Gesetz, wonach die Gesundheitsämter „für die Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten verantwortlich sind“. Zwischen 2000 und 2014 ist die Zahl der in diesen Ämtern Tätigen von 39.000 auf 29.000 gesunken. Die Verantwortlichen waren wohl überzeugt, dass der heilige Markt Fragen der Gesundheit locker lösen würde. Das kann er aber nicht und tut er nicht. Die Gesundheitsbehörden sind verantwortlich für die Überwachung von Arbeitsstätten, Transportmitteln, öffentlichen Einrichtungen und Gewerbebetrieben aller Art. Sie sind aber nicht in der Lage festzustellen, an welchen Kontaktstellen die Epidemie sich verbreitet, geschweige denn effektive Maßnahmen gegen sie zu ergreifen. Stattdessen werden Schließungen für Konzerte, Gaststätten, Hotels und Geschäfte verfügt, Produktionsbetriebe und Verwaltungen, Schulen und Kitas offengehalten sowie der Personennah-, Fernverkehr und Gütertransport zugelassen.

Dass Pflegenotstand herrscht ist Allgemeinwissen. Katastrophaler Personalmangel wird jetzt sogar zugegeben. Der Kern des Übels ist das System der 1993 eingeführten Fallpauschalen. Seit damals wird nicht mehr gefragt: „Welche Behandlung braucht der Patient?“ sondern „Welche Erlöse bringt der Patient?“ Seit damals bekommt das Krankenhaus die Pauschale, die für einen Eingriff zwischen Kassen und Krankenhäusern vereinbart ist. Es lohnt sich damit, Behandlungen durchzuführen, die hohe Pauschalen bringen. Es lohnt sich, das Personal auszudünnen und damit Kosten zu sparen. Es lohnt sich für Investoren, Krankenhäuser zu betreiben. So wurde eine Privatisierungswelle losgetreten, die von der Politik auf allen Ebenen vorangetrieben wird.

Die Corona-Seuche muss als Gelegenheit genutzt werden, das Gesundheitssystem gesünder zu machen. Man darf mit dieser Kur aber nicht bis zum Ende der Seuche warten, sondern muss mit dem Kampf jetzt anfangen.

Notwendig sind:

Massive Personalaufstockung und höhere Bezahlung in der Pflege und in den Gesundheitsämtern – Die Privatisierung der letzten Jahrzehnte rückgängig machen – Das System der Fallpauschalen fallenlassen. Stattdessen wird wie einst nach Kostendeckung abgerechnet. Die Finanzierung des Gesundheitssystems durch konkurrierende Kassen wird durch eine einheitliche Bürgerversicherung ersetzt.

Die Zweiklassenmedizin wird damit beendet.


Über den Autor

Lucas Zeise

Lucas Zeise (Jahrgang 1944) ist Finanzjournalist und ehemaliger Chefredakteur der UZ. Er arbeitete unter anderem für das japanische Wirtschaftsministerium, die Frankfurter „Börsen-Zeitung“ und die „Financial Times Deutschland“. Da er nicht offen als Kommunist auftreten konnte, schrieb er für die UZ und die Marxistischen Blättern lange unter den Pseudonymen Margit Antesberger und Manfred Szameitat.

2008 veröffentlichte er mit „Ende der Party“ eine kompakte Beschreibung der fortwährenden Krise. Sein aktuelles Buch „Finanzkapital“ ist in der Reihe Basiswissen 2019 bei PapyRossa erschienen.

Zeise veröffentlicht in der UZ monatlich eine Kolumne mit dem Schwerpunkt Wirtschaftspolitik.

Zum Jahresende ein Beitrag von Patrik Köbele, DKP-Vorsitzende, UZ 24.12.2020

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Das Jahr 2020 geht zu Ende – ein völlig außergewöhnliches Jahr. Noch bei unserem Parteitag Anfang März ahnten wir nicht, welches Ausmaß die Corona-Pandemie annehmen würde. Allerdings schätzten wir richtig ein, dass wir uns am Beginn einer neuen Krise des Kapitalismus befinden.

Die massive Härte, mit der die Kombination aus Krise, Kapitalismus und Pandemie nun die Menschen trifft, muss ein zentraler Punkt für unser Eingreifen im Jahr 2021 sein. Ein zweiter ist die massive Aufrüstung und damit die Erhöhung der Kriegsgefahr. Kernstück ist dabei die geplante Anschaffung von 138 neuen Kampfbombern für die Bundeswehr, mindestens 30 davon sollen in der Lage sein, die in Büchel lagernden Atomwaffen zu tragen. Ein dritter Schwerpunkt wird die Abwehr des Angriffs auf unsere demokratischen Rechte sein. Auch hier wird die Pandemie genutzt, um die Menschen an den Einsatz der Bundeswehr im Inneren und an ein Notstandsregime zu gewöhnen. Es gibt also viel zu tun!

Der Grundwiderspruch dieser Gesellschaft zwischen „Lohnarbeit und Kapital“ zeigt sich im Umgang mit kapitalistischer Krise und Pandemie wie in einem Brennglas. Die Interessen des Monopolkapitals sind das „goldene Kalb“, das nicht angerührt werden darf – das fordert Todesopfer und die unkontrollierbare Verbreitung des Virus. Die Schuld wird den Werktätigen in die Schuhe geschoben.

Der Blick in die Welt kann uns aber auch Mut machen. Kuba, Vietnam und nicht zuletzt die VR China, Länder mit sozialistischer Orientierung, geben ein Beispiel. Sie konnten eine Strategie gegen die Pandemie entwickeln, die sich nicht von Profitmacherei und Konkurrenzkampf leiten ließ – mit Erfolg, und gleichzeitig übten und üben sie dabei große internationaler Solidarität.

Wir selbst können auch stolz sein auf die internationale Solidarität, die unsere kleine Partei im vergangenen Jahr geleistet hat: für die Pandemiebekämpfung auf Kuba, die Unwetteropfer in Vietnam und unsere Solidarität mit unserer Schwesterpartei, der PCV in Venezuela. Unsere internationale Solidarität wird 2021 gebraucht.

Gerade das vergangene Jahr zeigt, wir müssen lauter sagen: wer diese Situation verändern will, der muss für die Überwindung des Kapitalismus kämpfen. Wer für die Überwindung des Kapitalismus kämpfen will, der muss sich organisieren, der gehört zu uns in die Deutsche Kommunistische Partei.