Krank am Krankenbett

In der Pandemie zeigt sich, wie 15 Jahre Fallpauschalen die Krankenhäuser geschwächt haben

Krank am Krankenbett

Olaf Matthes – UZ vom 20.November 2020

Demo des Pflegepersonals

Die Krankenhäuser stoßen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten bei der Behandlung von Covid-Patienten. Denn das Personal fehlt – eine Folge des Fallpauschalen-Systems. Während der Gesundheitsminister sich selbst lobt, fordern Gewerkschaften eine grundsätzliche Veränderung in der Finanzierung der Kliniken.

Schon lange vor der Corona-Pandemie forderten Beschäftigte mehr Personal für die Kliniken. (Foto: Werner Sarbok)

Die Krankenhäuser stoßen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten bei der Behandlung von Covid-Patienten. Denn das Personal fehlt – eine Folge des Fallpauschalen-Systems. Während der Gesundheitsminister sich selbst lobt, fordern Gewerkschaften eine grundsätzliche Veränderung in der Finanzierung der Kliniken.

„Wir müssen damit rechnen, dass Kliniken an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen“, stellte der Leiter des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, in der vergangenen Woche fest. Für die kommenden Wochen sei damit zu rechnen, dass die Zahl der Covid-Patienten in den Kliniken noch deutlich zunimmt.

Jonas S., Krankenpfleger an der Uniklinik Essen, berichtet im Gespräch mit UZ: Die Corona-Intensivstation ist bereits voll belegt, es gibt jedoch noch Betten auf anderen Intensivstationen, in denen Covid-Patienten behandelt werden könnten. Auf anderen Stationen wurden Operationen verschoben, so dass dort die Pflegekräfte nicht zusätzlich belastet sind – ihre Kollegen auf den Covid-Stationen sind stärker belastet als üblich. Dort seien die Kolleginnen und Kollegen besorgt, ob auch sie durch erhöhte Fallzahlen an ihre Grenzen geraten könnten. Dazu kommt, berichtet S., dass nun mehr Pflegekräfte krank und zum Teil selbst mit dem Coronavirus infiziert seien, S. selbst musste einige Zeit in Quarantäne verbringen. Auch der RKI-Leiter Wieler benennt, dass es das fehlende Personal sei, das die Kapazitäten begrenzt.

Jens Spahn hat den Krankenstand in Kliniken zum Anlass genommen, um sich mit dem Gedankenspiel zitieren zu lassen, dass auch infizierte Klinikmitarbeiter weiter arbeiten könnten, solange sie selbst nicht erkranken. Einige Betreiber von Krankenhäusern fordern, die von der Regierung festgelegten Untergrenzen für das Pflegepersonal erneut für alle Bereiche aufzuheben.

Ebenfalls in der vergangenen Woche lobte der Gesundheitsminister sich selbst: „Die Beschlüsse der Konzertierten Aktion sind ein Versprechen an alle Pflegekräfte: Wir werden weiter dafür kämpfen, dass die Situation in der Pflege besser wird.“ Tatsächlich sehen die Maßnahmen einige Verbesserungen bei Bezahlung und Ausbildung von Pflegekräften vor. Die Gewerkschaft ver.di hält die Maßnahmen nicht für ausreichend. Zu Spahns Bericht zur „Konzertierten Aktion“ sagte Sylvia Bühler, im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig, vor allem brauche es „mutige und wirksame Schritte, um mehr Personal zu gewinnen und zu halten“. Die Bundesregierung habe zwar einige Verbesserungen eingeleitet, allerdings nicht genug, damit die Beschäftigten tatsächlich eine Entlastung spüren. Bühler wies erneut darauf hin, dass der entscheidende Schritt dafür wäre, die Personalbemessung neu zu regeln und am Bedarf zu orientieren statt an den Kosten der Träger.

Bühler erinnerte daran, wo die Ursache des Personalmangels liegt: „Das DRG-System hat zu eklatanten Fehlsteuerungen und massivem Personalabbau geführt. In der Corona-Pandemie wird für alle sichtbar, welche Folgen das hat“, kommentierte Bühler einen Bericht der Hans-Böckler-Stiftung, der in der vergangenen Woche vorgestellt wurde. In diesem Bericht untersucht der Wissenschaftler Michael Simon, wie das extrem komplizierte DRG-System entstanden ist und wie es sich auswirkt. Die Studie bestätigt die Kritik, die Gewerkschaften seit langem an der Finanzierung der Krankenhäuser äußern: Für Klinikträger sei es „lukrativ, selektiv nur wenig kostenaufwändige Patientengruppen zu behandeln“. Das DRG-System habe „wesentlich zum Stellenabbau im Pflegedienst beigetragen“, weil es Unterbesetzung mit Gewinnen belohne.

Jonas S. schätzt ein, dass die Pandemie-Maßnahmen der Regierung „vor allem zu Lasten von Normalbürgern“ gehen – das Kleingewerbe leide, die Lebensgestaltung werde eingeschränkt. Während große Unternehmen weiter Geschäfte machen oder auf Staatshilfen rechnen könnten, bleibe es im Gesundheitswesen bei kleinen Korrekturen. ver.di fordert, das DRG-System während der Pandemie auszusetzen und dauerhaft zu ersetzen durch eine Finanzierung, die sich am medizinischen Bedarf orientiert.

Die Reichen sollen zahlen

Linkspartei fordert Vermögensabgabe

Richard Corell – UZ vom 20.November 2020

Die Debatte hat begonnen: Wer soll die Last der Überproduktionskrise und der Pandemie tragen? Die Partei „Die Linke“ hat den Vorschlag eingebracht, eine einmalige Vermögensabgabe auf die Vermögen von Milliardären und Multimillionären zu erheben. Um diesen Vorschlag zu untermauern, wurde eine wissenschaftliche Studie beim bekannten DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) in Auftrag gegeben. Das DIW ist ein bürgerliches Institut (gegründet 1925 von Ernst Wagemann, der es selbst bis 1945 leitete), aber im Gegensatz zu Ifo und anderen eher „keynesianisch“ orientiert ist es „neoliberal“.

Das gesamte Nettovermögen in der BRD soll laut Studie etwa 12 Billionen Euro umfassen. Allein das reichste eine Prozent der Bevölkerung, so DIW, besitze davon 32 Prozent beziehungsweise circa 3,8 Billionen Euro – Tendenz: steigend. Eine neue Studie der Unternehmensberatung „PricewaterhouseCoopers“ und der schweizerischen Großbank UBS zeigt, dass allein das Vermögen der 119 Dollar-Milliardäre in Deutschland seit März 2019 – trotz Krise – bis Ende Juli 2020 um 20 Prozent auf über 594 Milliarden Dollar gestiegen ist.

Während die noch reicher wurden, zahlen wir schon für die Krise mit stark reduzierten Einkommen dank Erwerbslosigkeit, Kurzarbeit, Wegfall von Neben- und Minijobs, von den kleinbürgerlichen Schichten ganz zu schweigen, wie kleine und Solo-Selbstständige, Künstler, Studenten und viele andere.

Von daher ist diese Initiative der Partei „Die Linke“ gut und eben nicht schlecht, wie Thomas Sigmund, seines Zeichens Leiter Politik und Hauptstadtstudio beim „Handelsblatt“, sie hinstellen möchte – keine olle Kamelle auslassend: „Die Linkspartei lässt ihre Maske fallen. Die SED-Nachfolgepartei marschiert stramm in Richtung Sozialismus. Wurde in der DDR noch knallhart enteignet, will die Linkspartei nun über das Steuerrecht ihre Ziele von damals erreichen.“

Die Initiative ist gut, weil sie die Reichen im Land zwingt, Farbe zu bekennen, wie sie es denn mit dem Gemeinwesen halten wollen. Dabei ist der Vorschlag wahrlich moderat und müsste jedem Freund der „sozialen Gerechtigkeit“ ob seiner „Ausgewogenheit“ aus dem Herzen gesprochen sein. Die einmalige Vermögensabgabe soll über 20 Jahre zahlbar sein und ist mit hohen Freigrenzen versehen, so dass die „ärmeren Millionäre“ ganz verschont bleiben. Betroffen wären lediglich die reichsten 0,7 Prozent der Bevölkerung, also etwa 580.000 Personen. Dadurch kämen nach DIW in der Laufzeit 310 Milliarden Euro zusammen, pro Jahr also mindestens 15 Milliarden Euro. Immerhin! Genauer betrachtet würde das allerdings noch nicht einmal dazu reichen, die staatlichen Subventionen allein für die Lufthansa zu finanzieren mit ihrem Großaktionär und Multimilliardär Thiele.

Beispiele für solche Vermögensabgaben aus der Geschichte des imperialistischen Deutschlands gibt es: Das DIW erwähnt, allerdings ohne politische Wertung, unter anderem den „Wehrbeitrag“ von 1913 zur Finanzierung der Aufrüstung, die „Judenvermögensabgabe“ von 1938, die in der schändlichsten Weise die Staatsmacht für die Erpressung und den Raub einsetzt, und auch den Lastenausgleich der BRD von 1952, der vor allem die reichen Großgrundbesitzer in den ehemaligen Ostgebieten begünstigte, die überwiegend Hitler unterstützt hatten und vor der Roten Armee abgehauen waren.

Die jährlichen 15 Milliarden Euro aus der Reichenabgabe könnten natürlich auch statt in die Lufthansa in die Sozialkassen fließen. Und da wird das Problem schnell deutlich. Durch eine Vermögensabgabe allein ist das Geld noch lange nicht bei uns angekommen.

Und wie soll selbst dann eine Änderung der Verhältnisse kommen, wenn der ganze Zirkus wieder von vorne losgeht? Haben denn die Herrschaften nicht längst das Recht verwirkt, die Produktions- und damit die Lebensmittel des ganzen Landes ihr Eigentum zu nennen? Haben sie es nicht verwirkt durch die kapitalistische Misswirtschaft, durch Ausplünderung von Mensch und Natur? So wichtig es also ist, die Initiative der Linkspartei zu unterstützen, so beschränkt ist es, sich darauf zu beschränken.