Neues von „Corona“

Neues durch Corona!?  Wohl nicht!

Überraschende Erkenntnisse der Politiker entstanden durch die zu Tage getretenen, aber schon lange bekannten Missstände in verschiedenen Bereichen unseres Zusammenlebens.

Die Zustände in den Krankenhäusern, der Kampf der dort Beschäftigten für bessere Arbeitsbedingungen, alles schon lange bekannt, wie auch die Ursachen dafür.

Die Zustände auf dem Arbeitsmarkt, präkere Arbeitsverhältnisse, Jobs auf 450.-€ Basis, Nichteinhaltung der Mindestlohnsätze, und nun Arbeitssklaverei der ErntehelferInnen und der ArbeiterInnen aus Osteuropa in den fleischverarbeitenden Betrieben.

Auszug aus dem Beitrag, Staatsknete für Aktionäre von Klaus Wagener, UZ-Unsere Zeit , 15.Mai 2020

Es gibt einen gewaltigen gesellschaftlichen und sozialen Investitionsbedarf. Immer hieß es, es sei kein Geld da. Das war schon immer kompletter Unsinn. Nun ist ganz offenkundig Geld ohne Ende verfügbar. So viel, dass sich die Verteidigungsministerin – mitten in der Krise – ohne Sinn und Verstand 45 F-18-Kampfjets kaufen kann. Warum also damit nicht vernünftige, auf die Zukunft und die Erhaltung der Umwelt gerichtete Dinge unternehmen? Warum beispielsweise nicht die öffentlichen Nahverkehre fördern und ausbauen – kostenfrei für alle? Warum nicht Kitas bauen, Schulen sanieren, Pflegekräfte einstellen und gut bezahlen, statt nur billig zu applaudieren? Warum nicht all diejenigen fördern und gut bezahlen, die das Gemeinwesen wirklich am Laufen halten, statt überflüssigen Spekulanten und Kuponschneidern die Milliarden in den Rachen zu werfen und überholte Technik mithilfe von Staatsknete über die Resterampe zu verhökern? In China, dem weltgrößten Automarkt, funktioniert das ohnehin nicht mehr lange.

Unsichtbare Sklaven

Das ist nun wirklich dumm. Jahrzehntelang haben alle Verantwortlichen weggeschaut – wie die berühmten drei Affen. Und nun kommt Corona.

Und plötzlich stehen die skandalösen Zustände in der Fleischindustrie und ihrer willigen Sub- und Sub-Sub-Unternehmen im Rampenlicht. Nun ließen sich Kontrollen beim besten Willen nicht mehr vermeiden. Bei der Firma Westfleisch wurden 250 Beschäftigte positiv auf Covid-19 getestet. Natürlich ist es in den engen, überfüllten Barackenunterkünften der Billigstjobber aus Südosteuropa mit „Social Distancing“ nicht weit her. Bei vier Menschen in einem Raum hat das Virus leichtes Spiel. Nun, wo die miesen Arbeits-, Wohn- und Lebensverhältnisse der Arbeitssklaven der Tönnies und Co. ursächlich für eine lokale Corona-Explosion geworden sind, schaffen es die von den selbstgerechten Berliner Menschenrechtsaposteln so blendend Ignorierten (für vermutlich kurze Zeit) über den Horizont des medialen Nicht-Wahrnehmenwollens. Das Virus bleibt nicht in den Arbeiterbaracken.

Grillkoteletts, das Kilo für 4,49 Euro – so in etwa sehen die Produkte aus, die hier im Akkord produziert werden. Der Neoliberalismus diktiert den Marsch zu den niedrigsten Standards. Das gilt für die Löhne und die sozialen Verhältnisse, das gilt aber auch für die Lebensmittelproduktion. Die Jagd nach dem Maximalprofit hat eine biotechnologische und pharmatechnische Agro-Industrie und ein biologisch-chemisches Verarbeitungsbusiness hervor gebracht, die mit der Produktion gesunder und nährstoffreicher Lebensmittel nicht mehr viel zu tun haben. Genmais oder Soja-Futtermittel aus Brasiliens ehemaligem Regenwald, Glyphosat, Turboschweine und -Kühe, krankes Geflügel, gigantische Zuchtfabriken, die nur durch den prophylaktischen Einsatz von Antibiotika betrieben werden können, eine das Grundwasser gefährdende Gülleflut, eine unübersehbare Menge von Geschmacksverstärkern, Konservierungs- und Zusatzstoffen etc. pp. Und eben einer großindustriellen Schlachtindustrie, die Tiere wie Arbeiter in ein Höchstmaß von Stress und Druck versetzt. Stress, der das Schlachtfleisch hormonell noch weiter verschlechtert und der die Akkordarbeiter frühzeitig ruiniert. Die Schlachtindustrie drückt auch die Preise der Erzeuger. Man will selbst in China konkurrenzfähig sein.

Nicht einmal die durch den permanenten Pharmaeinsatz bedingte Entwicklung multiresistenter Keime und die grauenhafte Perspektive, zu einer Lage vor der Entdeckung des Penicillins zu gelangen, bewirken ein Umdenken. Von den Giganten der Lebensmittelindustrie wird billiges Junk-Food in den Markt gedrückt, das sich auch ein Mensch leisten können soll, der von der Berliner Regierungsmafia auf Hartz-IV-Niveau und damit unter das Existenzminimum gedrückt wird. Es ist die gleiche Regierungsmafia, die für Tönnies und Co. den Arbeitssklaven-Zuhälter spielt. Wie in der Landwirtschaft die Spargelernte, ist auch die Massen-fleischproduktion ohne die billigen Arbeitssklaven nicht zu betreiben.

Auch ein Grund, warum die EU von Berlin so gepriesen wird: Ohne die billigen Arbeitssklaven aus dem Osten ließen sich auch die Löhne des deutschen „Prekariats“ nicht so weit drücken.

Klaus Wagener, UZ-Unsere Zeit, 15.05.2020